von Michael Hundertmark

In den kommenden Wochen werden Sie wieder viele Berichte zum städtischen Haushalt und damit zur finanziellen Situation unserer Stadt lesen können. Wir als CDU-Fraktion werden uns auch hier wieder zu Wort melden und eigene Vorschläge für Akzente und Schwerpunkte im Haushalt setzen.

Gleichermaßen werden wir aufmerksam machen auf falsche Priorisierungen durch die Stadtregierung und unnötige Ausgaben! Mit diesen Zeilen will ich zunächst einmal eine Rückblende auf das vergangene Jahr 2016, und hier gab es durch die Kommunalwahl im März eine Zäsur, wagen.

In der vorherigen Legislaturperiode (2011-2016) regierte die SPD zusammen mit Bündnis90/Die Grünen in Wetzlar. Im Laufe der Legislatur wurden die Freien Wähler (FW) mit in die Koalition aufgenommen. Als die Kommunalwahl im März 2016 ausgewertet war, war klar, dass die Koalition aus SPD, Grüne und FW nur noch eine knappe Mehrheit (30 von 59 Stimmen) im Rathaus hatte. Krankheitsfälle oder Urlaubsreisen sind für die Koalitionäre seither exakt zu planen, damit die Mehrheit im Parlament nicht dahin ist.

Zum ersten Schwur der Koalition kam es bei der Ernennung des 4. Hauptamtlichen. OB Wagner (SPD) ist direkt gewählt und damit gesetzt in der Regierung. Neuer Bürgermeister wurde Harald Semler (FW), Norbert Kortlüke (Grüne) war und blieb Stadtrat und neu gewählt wurde Jörg Kratkey (SPD). Hierbei ist der Koalition der erste Coup gelungen. Um eine größere Mehrheit zu haben und damit bei Abstimmungen etwas sicherer zu sein, hat man die Linkspartei mit in die Koalition aufgenommen! Bis dato stimmten die Vertreterinnen der Linkspartei willkürlich und unberechenbar ab. Mal gab es Zustimmung, mal Ablehnung oder Enthaltung.

Seit der Ernennung des 4. Hauptamtlichen stimmen die Linken immer mit der Koalition und freuen sich über „gewonnene“ Abstimmungen. Es gibt also einen deutlichen Linksruck der Stadtregierung, die inzwischen aus vier Parteien besteht (SPD, Grüne, FW und Linke). Wie sich das für eine „gute“ linke Regierung gehört, versucht man die Opposition zu demontieren. Übrigens kritisieren wir es, wenn in anderen Ländern die Opposition, die zur demokratischen Auseinandersetzung gehört, nach und nach demontiert wird. In Wetzlar geschieht das in kleinen Schritten, die für sich genommen nicht dramatisch sind, im Ganzen aber nichts anderes sind als die Ausgrenzung der politischen Opposition.

Ich nenne Ihnen ein paar Beispiele:

Beispiel 1

Als erstes wurde mit einer jahrzehntelangen Tradition gebrochen. In der Vergangenheit gab es immer ehrenamtliche Stadträte, die auch Dezernate führten. So hat in der Legislaturperiode 2011 bis 2016 unsere Kollegin Ruth Viehmann sehr erfolgreich das Dezernat der Volkshochschule geführt. Auch die Stadträtin der FDP, Sigrid Kornmann, hat mit der Leitung der städtischen Museen ein Dezernat innegehabt. Auf Anordnung des Oberbürgermeisters wurde das geändert! Die ehrenamtlichen Stadträte der Oppositionsparteien führen keine Dezernate mehr. Nur Karlheinz Kräuter (SPD) führt weiterhin ehrenamtlich ein Dezernat.

Beispiel 2

Sie wundern sich vielleicht auch, warum die Vertreter der CDU-Fraktion auf manchen Bildern in der Zeitung nicht erscheinen, zum Beispiel bei Eröffnungen, Einweihungen oder feierlichen Anlässen der Stadt Wetzlar. Das liegt nicht etwa daran, dass wir keine Zeit oder keine Lust hätten, dahin zu gehen, sondern das liegt einzig und allein daran, dass wir keine Einladungen dafür bekommen. Im Rahmen der Weltmeisterschaft in Ballett, Jazz und Modern Dance, die in Wetzlar stattfand, trugen sich Ausrichter und Sportler ins Goldene Buch der Stadt ein. Hierzu wird häufig ein Magistratsempfang gegeben. Daran nehmen der Magistrat und die zu Ehrenden teil. Gelegentlich der Stadtverordnetenvorsteher. Bei dem genannten Anlass konnten Sie in der Presse lesen, dass weitere Stadtverordnete zugegen waren. Kein Vertreter der Opposition!!! Wir wurden nicht eingeladen.

Beispiel 3

Die Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung haben mehrheitlich der Kürzung ihrer Fraktionsmittel zugestimmt. Wir nutzen die Fraktionsmittel, um unsere Geschäftsstelle, unsere Mitarbeiterin und Arbeitsmaterialien zu finanzieren. Die Mittel sind jetzt um 10 Prozent gekürzt. Das heißt entweder eine kleinere oder keine Geschäftsstelle, weniger Stunden Beschäftigung für die Mitarbeiterin oder gekürzte Arbeitsmittel. In jedem Fall bedeuten gekürzte Fraktionsmittel, dass das Arbeit für uns schwerer wird. Getroffen werden auch die Fraktionen der Koalition, die aber haben mindestens einen hauptamtlichen Stadtrat, der sie mit Informationen versorgt und das Arbeiten somit erleichtert.

Ist Ihnen aufgefallen, dass Sie in der Presse jetzt deutlich häufiger Kritik an unserem ehemaligen OB Wolfram Dette lesen können? In der Zeit von 2011 bis März 2016 war das so gut wie nie möglich. In dieser Zeit haben Sie immer lesen können, was die CDU angeblich alles falsch gemacht hätte. Hauptkritikpunkt war unser Stadtrat Achim Beck. Kaum ist eine Legislatur um, braucht die SPD/Grüne/FW/Linke-Regierung einen neuen Sündenbock: Wolfram Dette. Aus der Geschichte kann man lernen, dass man, um von eigenen Fehlern abzulenken, zur Attacke auf andere bläst.

Beispiel 4

Als Opposition wollen wir natürlich insbesondere auf die Fehler der Regierung aufmerksam machen. Das direkteste und schnellste Instrument, welches uns zusteht, ist die Fragestunde in der Stadtverordnetensitzung. Hier müssen die Vertreter des Magistrates Rede und Antwort stehen. Im Rahmen der letzten Stadtverordnetenversammlung wurden einige Fragen gestellt, die hier und da zu Diskussionen führten. Vorschlag des Grünen- Stadtverordneten Thorben Sämann: „Dann unterlassen Sie doch einfach mal alle Fragen, die Sie stellen, die kosten nämlich auch sehr viel Arbeitszeit.“

Informationen entziehen (Wegnahme der Dezernate), finanzielle Grundlage entziehen (Kürzung der Fraktionsmittel) und Recht auf Fragen absprechen wollen sind drei Schritte in Richtung „Kaltstellen der Opposition“. Ein vierter Schritt rundet das Bild ab: einzelne Mitglieder der Opposition diskreditieren.

In meiner Rede zum Nachtragshaushalt 2016 habe ich ausgeführt, dass die Kürzungen im Bereich der freiwilligen Leistungen der Stadt Wetzlar um 10 Prozent zu Unfrieden vor allem in Vereinen führt. Sportvereine, Vereine im musischen und kulturellen Bereich brauchen die Zuwendungen der Stadt, um ihre Arbeit in gewohntem Umfang leisten zu können. Vereine sind der Kitt unserer Gesellschaft. Hier werden soziale Kontakte gepflegt, neues Können erworben und Erfolge gefeiert.

Auf der anderen Seite gibt es die freiwillige Leistung „WetzlarCard“. Diese soll durch kostenlose zur Verfügungstellung von Busfahrkarten und vergünstigten oder kostenfreien Eintrittspreisen dafür sorgen, dass die armen Mitglieder unserer Gesellschaft am kulturellen Leben in unserer Stadt teilhaben können. Vom Grundsatz kann man hierüber diskutieren. Ich bin aber der Meinung, und das ist das, was ich in meiner Rede ausgeführt habe, dass man, wenn man den Vereinen in unserer Stadt die Mittel um 10 Prozent kürzt, auch die Mittel für die WetzlarCard um 10 Prozent kürzen muss, weil man ansonsten die Gesellschaft spaltet. Tatsächlich sind die Mittel für die WetzlarCard nämlich durch die SPD-geführte Regierung weiter erhöht worden.