Stadthaus am Dom: Entschieden mit Mehrheit, aber ohne Vernunft

1. Juni 2015

Es ist das gute Recht derer, die in einem Parlament die Mehrheit haben, über kleine und große Dinge mit Mehrheit zu entscheiden. Und es ist die mindestens so ernste Pflicht derer, die Minderheit sind, warnend die Finger zu heben, wenn dabei über eine wichtige Angelegenheit nur mit Mehrheit, aber ohne Vernunft entschieden werden soll.

Wenn sich dann noch herausstellt, dass der eine besonders schwerwiegende Sache verantwortende hauptamtliche Dezernent in einem Punkt keine Ahnung hat und ein ehrenamtlicher Vertreter der Minderheit, ein Stadtverordneter zufällig in diesem Punkt, aufgrund jahrzehntelanger beruflicher Tätigkeit Experte ist, dann ist im politischen Raum Ärger vorprogrammiert. Recht behalten und Gesicht wahren wollen wird dann wichtiger als die Sache, um die es geht. So geschehen bei der Stadt Wetzlar im Zusammenhang mit dem Projekt Abriss und Wiederaufbau des Stadthauses am Dom.

Als ein Vertreter der CDU im Bauausschuss die Frage stellte, wer denn genau die Firma sei, die mit dem Projekt beauftragt werden solle, konnte der verantwortliche Sozialdezernent und Bürgermeister Wagner nur hilflos nach dem anwesenden Vertreter des Rechtsamtes schauen. Aber auch der konnte die Frage nicht beantworten. In dem Vertragstext, dem die Stadtverordneten zustimmen sollten, war die Bezeichnung der Firma schlicht offen. Weitere bohrende Fragen nach Bonität und Haftungsfähigkeit des vorgesehenen Auftragnehmers machten deutlich, worum es der CDU ging. Abriss und Neubau dessen, was noch das Stadthaus am Dom ist, wird nicht nur eine viele Millionen schwere, sondern auch die Kernstadt jahrelang aufs Schwerste belastende Großbaustelle. Wenn dann noch wegen eines jederzeit möglichen Ausfalls des beauftragten Unternehmens Bauunterbrechungen, begleitet von langwierigen Rechtsstreitigkeiten drohen – welch eine Horrorperspektive!

Ein solcher Ausfall aber kann nicht ausgeschlossen werden, wenn ein Vertrag abgeschlossen wird, aus dem zweierlei ersichtlich ist: Einmal wird der Auftrag angenommen von einer erst und nur für das einzelne Bauprojekt gegründeten Gesellschaft, welche die Rechtsform einer GmbH & Co. KG hat. Das heißt, ein Unternehmer verliert nicht wirklich Geld, wenn etwas oder alles schief geht. Die Wahl dieser Rechtsform ist leider heutzutage gang und gäbe. Dem wirkt ein sorgsamer Auftraggeber entgegen, indem er von dem Auftragnehmer eine Ausführungsbürgschaft verlangt, die von Banken für solche Fälle bereit gehalten und für Großbauvorhaben auch üblich sind. Im Besitz einer solchen Bürgschaft kann sich ein Auftraggeber schadlos halten, wenn etwas oder alles schief geht. Eine solche Bürgschaft zu fordern, war zum Anderen offensichtlich niemand an verantwortlicher Stelle der Stadt in den Sinn gekommen.

Auf diese und andere Hinweise aus der CDU kam dann von der Mehrheit das, was kommen musste: Hektisches Sammeln und Vorbringungen von auch nur Scheinargumenten, weshalb dies und jenes nicht möglich sei und weshalb man dem Auftragnehmer eine Erfüllungsbürgschaft nicht zumuten könne. Dafür müsse das Unternehmen Stadthaus am Dom ja Zinsen bezahlen! Und so wird es wohl so kommen, wie von der CDU befürchtet: Wohl und Wehe des Großbauprojektes am Domplatz, das leider unumgehbar ist, wird in den Händen einer GmbH & Co. KG. liegen, die nur mit einem minimalen Haftungskapital für den Erfolg haftet. Da hilft dann auch der unbestreitbar gute Ruf der Unternehmerfamilie nicht, die mit Sach- und Fachkunde, aber auch mit ihrer Gewinnerwartung „hinter“ der Projektgesellschaft steht, denn diese Unternehmerfamilie hat ja gezielt und gewollt die Haftung auf ein Minimum beschränkt, das in keinem Verhältnis zu den möglichen Risiken steht.

Für die Darstellung weiterer von der CDU vorgebrachter und von der Mehrheit zurückgewiesener Bedenken und Änderungsvorschläge für den abzuschließenden Vertrag fehlt hier der Platz. Alles in Allem müsste die CDU die Vorlage des verantwortlichen Dezernenten ablehnen.

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